DER MARTINSTAG (MARTINI)

AUTOR: Josef Theobald

Der 11. November ist dem ehemaligen Bischof von Tours gewidmet.
Dieser Mann namens Martinus wurde um 316 in Ungarn geboren und
war von 371 bis 397 Bischof. Sein Todestag war der 8. November. Die
Totenmesse wurde am 11. November gehalten. [1]

Nach dem Militärdienst bei der berittenen kaiserlichen Leibgarde lebte
Martin zunächst als Einsiedler. 361 gründete er bei Poitiers das erste
Kloster des Abendlandes. Trotz der späteren Bischofswürde lebte er
in persönlicher Besitzlosigkeit und kümmerte sich um die Sorgen und
Nöte des einfachen Volkes, das ihn sehr verehrte. Seine demütige und
einfache Lebensweise machten ihn zu einem Gegner des Klerus, weil
dieser um seine Privilegien und Reichtümer fürchtete.

Der Frankenkönig Chlodwig (481-511) erklärte Martin, der als erster
Nichtmärtyrer als Heiliger verehrt wurde, zum Nationalheiligen und
zum Schutzherrn der fränkischen Könige, die nunmehr den Mantel
Martins in Schlachten mitführten. [3] St. Martin gilt bis heute in den
alten saarländischen Pfarreien als der 2. Schutzpatron. Der Grund
hierfür liegt in den alten Besitzrechten der Abtei Lubeln (Longeville)
in der Nähe von St. Avold.  

Warum Martin in der Sage mit einer Gans in Verbindung gebracht wird,
ist nicht ganz klar. Es sollen ihn Gänse verraten haben, als er sich vor
seiner Wahl zum Bischof verbarg. Nach einer Legende sollen ihn Gänse
bei einer Predigt gestört haben.

Schon vor der christlichen Legendenbildung feierten die Germanen im
Herbst ein Wotan geweihtes Fest. In einem norwegischen Runenkalen-
der ist dieser Tag mit einer Gans gekennzeichnet. Mit der Gans wurde
symbolisch der Sommer geschlachtet und mit dem Verzehr des knus-
prigen Bratens übertrug sich die Fruchtbarkeit des Sommers auf den
Menschen. [1]

Noch heute wird traditionell am Martinstag die „Martinsgans“ gegessen.
Bereits im Mittelalter wurden die Gänse vor dem Winter geschlachtet,
da der Platz in den Ställen knapp bemessen war. Zudem bot auch der
Gänsebraten die letzte Gelegenheit für ein ausgiebiges Festmahl vor
der damals üblichen vorweihnachtlichen Fastenzeit. [3]

Der Martinstag war nach der alten Einteilung des Jahres wahrschein-
lich der Monats- und Winteranfang. Das Sprichwort „St. Martin zündet
das Feuer an.“ ist auf die Zeit zu beziehen, in der die Stuben geheizt
werden, was früher ohne Ofen durch das Herdfeuer geschah. [2]

Mancherorts (z. B. im Hessischen) gab es ein Schlachtfest mit Wurst-
brühe, Sauerkraut und Würsten. Andernorts sind Sänger mit Laternen
von Haus zu Haus gezogen, haben Lieder gesungen und dafür Äpfel,
Nüsse oder anderes geschenkt bekommen.

Der Vorabend des 11. November eines jeden Jahres markierte in der
früheren Zeit überall und auf dem linken Rheinufer bis zur 1. Hälfte des
20. Jahrhunderts das Ende des bäuerlichen Pacht- und Ackerjahres. Ein
Teil des Gesindes (Knechte und Mägde) wurde entlassen, soweit es im
Winter nicht beschäftigt (und verköstigt) werden konnte. Die erneuten
Einstellungen sind dann an Mariä Lichtmess (2. Februar) erfolgt. Durch
die Entlassung der als Arbeitskräfte in den nächsten Monaten nicht mehr
gebrauchten Menschen konnte eben der winterliche Nahrungsengpass in
der Arbeitspause ohne die nicht unmittelbar notwendigen Esser leichter
überdauert werden. [1]

Das wohl bekannteste Brauchtum am Martinstag bzw. am Vorabend ist
der Laternenumzug. Die Spitze bildet ein als St. Martin bekleideter Mann,
der auf einem Pferd reitet und häufig von einer als Bettler verkleideten
Person begleitet wird. Ihnen folgen die Kinder mit Laternen und singen
Martinslieder. Am Ende des Umzugs wird die Legende von der Mantel-
teilung nachgespielt. Im Anschluss erhalten dann die Kinder noch die
typischen Martins-Backwaren, wie die „Stutenkerle“, „Martinshörnchen“
oder „Martinsbrezel“.

Der Martinsumzug ist Teil der Lichtsymbolik, die an Allerseelen beginnt
und bis Lichtmess andauert. Er hat inzwischen das traditionelle Martins-
feuer fast vollständig verdrängt, dessen Ursprung auf die germanische
Wintersonnenwendfeier und das Erntedankfest zurückgeht.

Bei den evangelischen Christen ist auch der Martinstag der Tauf- und
Namenstag von Martin Luther. [3]   

ANMERKUNGEN
[1] Hans-Peter Ebert, Festtage zum Nachlesen (Hintergründe zu Zeit-
     rechnung und Brauchtum), DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen
     2001, Seiten 105/6.
[2] Montanus, Die deutschen Volksfeste,  Volksbräuche und deutscher
     Volksglaube  in  Sagen,  Märlein  und  Volksliedern, Nachdruck der
     Ausgabe von 1854 bei Georg Olms Verlag, Hildesheim-Zürich-New
     York 2006, Seite 55.       
[3] Die wichtigsten Feier- und Gedenktage (Religiöse und nationale
     Feiertage weltweit), Chronik Bertelsmann, Wissen Media Verlag,
     Gütersloh/München 2009, die Seiten 64 + 65.