DAS BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN

AUTOR: Josef Theobald

In den letzten Jahren kommen immer wieder Forderungen auf, in Deutschland
das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) einzuführen. Zu diesem Thema
gibt es aber Bedenken aus verschiedenen Richtungen.

Aus christlicher Sicht besteht eine Ehre, mit eigenen Händen arbeiten zu dürfen
(1. Thessalonicher 4,11). An anderer Stelle wird der Grundsatz aufgezeigt, dass
wer nicht arbeitet auch nicht essen solle (2. Thessalonicher 3,10). In der „Lehre
der Apostel“ (Didache) wird festgestellt: „Wenn Du etwas durch Deine Hände Ar-
beit erworben hast, dann gib es als Lösegeld für deine Sünden.“ (4,6).

Der Hintergrund lässt sich durch eine Gruppe erklären, in der es eine gemeinsame
Kassenführung gibt. [1]

Im Judentum lehrt die Mischna KIDDUSCHIN: „Stets lerne man seinen Sohn ein
sauberes und leichtes Handwerk, und flehe zu dem, dem der Reichtum und die
Güter gehören, denn es gibt kein Handwerk, mit dem nicht Reichtum und Armut
verbunden wäre. Nicht von dem Gewerbe kommt die Armut, nicht vom Gewerbe
kommt der Reichtum, sondern alles nach seinem Verdienste.“ (XIV,2)

Auch in der Arbeiterklasse wurde der Grundsatz „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht
essen.“ übernommen und erscheint auch in den Klassikern des Marxismus-Leninis-
mus. So schreibt W. I. Lenin in dem Hauptwerk „Staat und Revolution“: ‚„Wer nicht
arbeitet, soll auch nicht essen“, dieses sozialistische Prinzip ist schon verwirklicht;
…‘ [2]

In der katholischen Soziallehre gibt es das Prinzip der „Subsidiarität“. Dieses be-
sagt, dass die gemeinsame Verantwortung für den Einzelnen nicht ausschließt,
sondern sogar fordert, dass zunächst jedem Einzelnen und jeder Gruppe vor-
rangig die Pflicht und das Recht zukommen, ihre eigenen Angelegenheiten in
selbständiger Weise zu regeln. [3] Dieses Prinzip hat auch in evangelischen
Kreisen Eingang gefunden. Im rechtlichen Sinne bedeutet „Subsidiarität“ vor
allem Nachrangigkeit. In den Maastrichter Verträgen ist „Subsidiarität“ expli-
zit als Strukturprinzip der Europäischen Union (EU) formuliert. [4]

Der Philosoph Hegel (1770-1831) definierte den Arbeitsbegriff durch seine
Rede von der „Selbstverwirklichung durch Arbeit“. Karl Marx (1818-1883)
sah in der Arbeit eine Quelle von Werten, weil sie ein Tun für andere ist,
ein zielgerichtetes Umgestalten der Dinge und der eigenen Anlagen. Denn
in der Arbeit würden auch Bewusstsein, Sprache und die gesellschaftlichen
Verhältnisse produziert. Anders gesagt ist die Arbeit der kollektiv gestaltete
Entwicklungsprozess der Menschheit von der Natur zur Kultur. Im Denken
des Liberalismus ist die Arbeit „Selbstverwirklichung“ mit dem Wunsch nach
individueller Autonomie und der Ausweitung der persönlichen Entscheidungs-
macht. So wird Arbeit zum zentralen Lebens- und Gesellschaftswert. [5]

Demnach würde das BGE das gegenwärtige Sozialrecht auf den Kopf stellen.
Denn das Sozialsystem in der Bundesrepublik geht nämlich von einer Umlagen-
finanzierung aus. Spätere Leistungen sind von gegenwärtig gezahlten Beiträgen
abhängig (Generationenvertrag). Eine Alimentation einer trotz Leistungsfähigkeit
untätigen Bevölkerung ist dabei nicht vorgesehen. Gegenwärtig wird in Finnland
das BGE getestet. Erste Ergebnisse scheinen auf den ersten Blick positiv zu sein.
Die Langzeitstudie bleibt aber noch abzuwarten. Der gezahlte Betrag in Höhe von
monatlich 560,– Euro ist aber so gewählt, dass lediglich die Grundbedürfnisse ge-
deckt werden können. So bleibt eine Berufstätigkeit, in welcher Form auch immer,
unerlässlich. In Deutschland sind dagegen höhere Beträge in der Diskussion mit
Zuschlägen für Familien mit Kindern.

ANMERKUNGEN
[1] NEUES HANDBUCH THEOLOGISCHER GRUNDBEGRIFFE, 
Herausgeber: Peter Eicher, Band 1, Kösel Verlag, München 2005, 
Seiten 57 + 73.
[2] W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in einem Band, Verlag Progress, 
Moskau 1986, Seite 360.
[3] Lexikon der Pastoral (Lexikon für Theologie und Kirche kompakt), 
Band 1 (A-Ki), Verlag Herder, Freiburg (Breisgau) 2002, Seite 841.
[4] Taschenlexikon: Religion und Theologie, Band 3: O-Z, Vanden-
hoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, Seite 1130.
[5] wie [1], jedoch die Seiten 52/53.